„AAUGH!“ Charlie Brown will es allen zeigen. In der Schule wird verkündet, dass ein stadtweiter Buchstabierwettbewerb ausgeschrieben ist, und er meldet sich an. Er sieht sich schon fehlerlos triumphieren in diesem amerikanischen Nationaldenksport, obwohl alle seine Freunde ihm abraten und Lucy ihn mit dem Testwort „Acetylcholinesterase“ auf die Probe stellt. Am Morgen der ersten Runde steht er siegessicher vor der schwarzen Schultafel und trainiert in Gedanken schnell noch seinen kühlen Kopf. Am Anfang kann man mit einfachen Wörtern rechnen, aber er spekuliert darauf, dass ihm eine schwierige Vorlage zupass kommen wird, damit er die Konkurrenz beeindrucken kann. Dann ist er dran. Und sagt zur Lehrerin: „Maze?“ Ja, das sei ein einfaches Wort. Und buchstabiert: „M-A-Y-S.“
Die Sprechblase im vierten und letzten Kästchen des Streifens der Comicserie „Peanuts“, den Charles M. Schulz für die Zeitungen des 9. Februar 1966 zeichnete, füllt ein einziges, in keinem Lexikon verzeichnetes Wort, das nur in Großbuchstaben geschrieben werden kann. Siehe oben. Der Witz dieser legendären Episode des von Schulz fünfzig Jahre lang produzierten Strips ist im Formalen natürlich die Knappheit in Perfektion, die mathematische Eleganz unübertrefflicher Treffsicherheit. Umso mehr schwingt und klingt inhaltlich mit. Willie Mays, der 1931 in Alabama geborene Baseballspieler, der 1951 als einer der ersten Schwarzen von einem weißen Profiteam rekrutiert wurde, den New York Giants, und der in den Statistiken aller Subdisziplinen dieses amerikanischen Nationalwurf-, -fang-, -lauf- und -schlittersports ganz weit oben steht, musste sich ebenfalls sammeln für den alles entscheidenden Moment und als Schlagmann freistehend auf den Punkt konzentriert sein.
Der Fang der Fänge
Und als Mays als Fänger am 29. September 1954 sein größter Fang gelang, der einfach als „The Catch“ in die Geschichte des Baseballs einging, und er in den Polo Grounds in Manhattan einen 130 Meter weit geflogenen Ball kurz vor der Spielfeldwand noch erwischte, da hatte er auf den letzten Metern gar nicht mehr nach dem Ball gesehen, weil er seine Kraft zum Laufen brauchte. Wer im richtigen Moment auf der richtigen Stelle das Richtige tut, weiß nicht, was ein Labyrinth ist. Amerikanische Sportfans sind Statistikfreaks, und so hat jemand ausgerechnet, dass Willie Mays seine New Yorker Lokalrivalen Mickey Mantle und Duke Snider auch nach dem „Charlie-Brown-Koeffizienten“ aus dem Feld geschlagen hat, als der bei den „Peanuts“ am häufigsten, nämlich viermal erwähnte Baseballspieler. Und diese Zahl ist sogar viel zu niedrig: Es gibt mindestens fünf weitere Nennungen seines Namens.
![Willie Mays bei den Peanuts: Es gibt Niederlagen, über die man froh werden kann (1) Willie Mays bei den Peanuts: Es gibt Niederlagen, über die man froh werden kann (1)](https://i0.wp.com/media0.faz.net/ppmedia/w1240/aktuell/3047226965/1.9798954/original_aspect_ratio/willie-mays-wurde-93-jahre-alt.jpg)
1955 kommentiert Charlie Brown das von Schroeder am Kinderklavier mit den aufgemalten schwarzen Tasten aufgeworfene kanonästhetische Abwägungsproblem, ob Beethoven der größere Komponist sei oder Brahms, mit dem Einwurf, so gehe es ihm mit Willie Mays und Duke Snider auch immer. Auch er hat’s mit den Klassikern. Lucy hingegen kann, obwohl sie Stammspielerin in Charlie Browns Baseballteam ist, 1969 mit dem Namen Willie Mays nichts anfangen, als sie ihn auf einem Fängerhandschuh auf dem Trainingsgelände eingestickt entdeckt. Ihr eigener Handschuh trägt den Namen Babe Ruth – er gehörte wohl einem Mädchen! So ist auch der Ruhm der Größten relativ. 1963 hat Charlie Brown Lucy seine gesamte Sammlung von Baseball-Sammelkarten angeboten, Mickey Mantle, Willie Mays und Stan Musial inklusive, im Tausch gegen Joe Shlabotnik, den einen Spieler, den Charlie noch mehr bewundert als Willie Mays. Shlabotnik hat Schulz erfunden; er stammt wohl nicht aus Alabama. Lucys Bruder Linus hat einen Traumberuf: Er möchte Arzt werden, in seinen Worten von 1964 ein Doktor unter Doktoren, der Willie Mays der Medizin. Wie es den Künstler der Künstler gibt, dem Kollegen die größte Hochschätzung entgegenbringen, so war Willie Mays ein Baseballspieler der Baseballspieler, weil er alles konnte und besonders kollegial war.
Die Geschichte des Buchstabierwettbewerbs endet damit, dass Charlie Brown sich nach dem Gelächter der Mitschüler, einem Zornesausbruch vor der Lehrerin und einer Rüge des Direktors mit der Vorstellung tröstet, dass er Willie Mays, wenn er groß ist, einmal treffen wird und sie dann gemeinsam über alles lachen werden. Dazu ist es nicht gekommen, obwohl die Giants 1958 nach San Francisco umzogen und Schulz im gleichen Jahr von Minneapolis nach Kalifornien übersiedelte. Zu Weihnachten 1969 kaufte Charlie Brown für sich, Linus und Snoopy teure Karten für ein Benefizbankett mit berühmten Sportlern, zu dem neben der von Snoopy verehrten Eiskunstläuferin Peggy Fleming auch Willie Mays erscheinen sollte. Zu einer Begegnung kam es nicht, weil Charlie Brown und seine Begleiter an dem von ihnen vorbestellten Tisch vergeblich auf Joe Shlabotnik warteten.
Willie Mays ist am 18. Juni 2024 in Palo Alto gestorben. AAUGH!